Montag, 3. Dezember 2012

Steuern und Fahrtkosten:

Verschlimmbesserung!

Das Reisekostenrecht soll einfacher werden.
Das ist zwar lobenswert, aber: Für Arbeitnehmer wird es vor allem teurer. 

Schornsteinfeger, Außendienstler und Zeitarbeiter haben eine Gemeinsamkeit: Sie dürfen höhere Fahrtkosten von der Steuer absetzen als andere Arbeitnehmer. Mehrere Finanzgerichte entschieden in den vergangenen Monaten, dass Mitarbeiter dieser Berufsgruppen keine "regelmäßige Arbeitsstätte" haben, also keinen klar definierten Mittelpunkt ihrer Arbeit. Damit dürfen sie für Fahrten in ihren Kehrbezirk (Schornsteinfeger), in die Firmenzentrale (Außendienstler) oder zum ausleihenden Betrieb (Zeitarbeiter) nicht nur die Pendlerpauschale von 0,30 Euro bei der Steuer ansetzen, die für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnsitz und ebenjenem Arbeitsplatz gezahlt wird. Sie können pro tatsächlich zurückgelegtem Kilometer 0,30 Euro geltend machen, für Hin- und Rückfahrt also. Ein doppelter Steuervorteil. Der wird sonst nur bei der klassischen Dienstreise gewährt.

Die Bundesregierung aber will die Entscheidung, wer eine regelmäßige Arbeitsstätte hat und was das genau ist, nicht länger den einzelnen Finanzgerichten überhalftern - und schafft den dehnbaren Begriff kurzerhand einfach ab. In der Reform des Reisekostenrechts, das der Bundestag nun beschlossen hat, wird die regelmäßige Arbeitsstätte durch die "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt. Wo das ist, legen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam fest. Für Fahrten dorthin haben die Mitarbeiter dann nur Anspruch auf die Pendlerpauschale, für die Fahrten zu allen anderen Standorten gibt es den vollen doppelten Steuervorteil.

Doch was vordergründig als Vereinfachung und Entbürokratisierung daherkommt, "hebelt in mehreren Fällen positive Urteile aus", kritisiert Michael Mittmann, Steuerberater bei der Kanzlei DHPG in Bonn. Vor allem im Vergleich zu einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2011 ist die künftige Rechtslage ein Rückschritt. Die Richter entschieden seinerzeit, dass zum Beispiel Bezirksleiter, die mehrere Niederlassungen betreuen, häufig gar keine "regelmäßige Arbeitsstätte" haben - und deshalb stets die gesamten Fahrtkosten geltend machen können. Künftig geht das nicht mehr. Vielen Arbeitnehmern drohen deshalb 2014, wenn das Gesetz in Kraft treten soll, sogar Nachteile.

Auch für Berufstätige, die zwar täglich denselben Ort aufsuchen, dort aber gar nicht arbeiten, wird es eher teurer. Für Außendienstler und Bauarbeiter etwa, die morgens stets in die Zentrale fahren, um dort Material einzuladen oder Unterlagen abzuholen. Oder für Berufskraftfahrer, die immer am Busdepot oder Lkw-Wechselplatz starten müssen. Denn selbst wenn das im strengen Sinne nicht ihr Arbeitsplatz ist, sie also jeden Kilometer einzeln abrechnen könnten, wird das nach dem Gesetzentwurf wie ihre erste Tätigkeitsstätte behandelt. Dadurch haben die mobilen Kollegen für Fahrten dorthin nur noch Anspruch auf die Pendlerpauschale. Eine ähnliche Fiktion gilt künftig auch für Schornsteinfeger mit großem Kehrbezirk. Der gilt zwar steuerlich nicht als erster Arbeitsplatz. "Trotzdem soll der Fiskus für die Strecke zwischen Wohnort und dem Beginn des Kehrbezirks nur noch die Pauschale gewähren", sagt Susanne Weber, Steuerberaterin bei WTS in München.

Unklar ist dagegen noch, was auf Zeitarbeiter zukommt. Das Finanzgericht Münster hatte jüngst zu ihren Gunsten entschieden, dass sie in der Firma, in die sie entliehen werden, selbst dann keinen regelmäßigen Arbeitsplatz haben, wenn sie länger als ein Jahr dort arbeiten (Az.: 13 K 456/10). Denn nur wer sich von vornherein immer auf den gleichen Weg einstellen kann, so die Argumentation, habe die Möglichkeit, etwa durch Fahrgemeinschaften oder Abokarten Kosten zu sparen. Nun aber enthält der Gesetzentwurf eine Klausel, der zufolge die erste Tätigkeitsstätte auch der Betrieb eines "vom Arbeitgeber bestimmten Dritten" sein kann - sprich: der Kunde, das entleihende Unternehmen. Dann aber haben Leiharbeiter künftig dort steuerrechtlich betrachtet ihren Arbeitsplatz - und können nur die magere Pendlerpauschale ansetzen.

Vereinfachungen bringt die Reform zumindest für Mitarbeiter, die einen Dienstwagen fahren. Sie können zwar keine Fahrtkosten absetzen. Fahrten zur "ersten Tätigkeitsstätte" müssen sie aber als geldwerten Vorteil versteuern - wie zuvor auch die zu ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz. Dabei setzt der Fiskus für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz monatlich 0,03 Prozent des Listenpreises des Autos an. Da die Lohnbuchhaltung den geldwerten Vorteil erfassen muss, winkt hier zumindest eine bürokratische Entlastung. Denn wo die "erste Arbeitsstätte" ist, ist klar geregelt - im Gegensatz zur bisherigen regelmäßigen, um die es viel Streit auch vor Gerichten gab.

Immerhin können alle Arbeitnehmer für die Fahrten, die nicht zum ersten Arbeitsplatz führen und somit eine Dienstreise sind, höhere Verpflegungskosten geltend machen als bisher. Bei einer mehrtägigen Dienstreise werden am Ab- und Abreisetag pauschal 12 Euro als Werbungskosten berücksichtigt. An Tagen, an denen ein Arbeitnehmer 24 Stunden außer Haus ist, bleibt es bei 24 Euro.
Insgesamt, resümiert WTS-Steuerberaterin Weber, könne man bei dem Regelwerk aber nicht von einer Vereinfachung reden. "Dafür gibt es zu viele Ausnahmeregelungen."

Aus der FTD vom 01.11.2012
© 2012 Financial Times Deutschland

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